Samstag, 25. August 2007

Kölner Dom - Südquerhausfenster

stiftung_fensterHeute nun wurde das neue Südquerhausfenster des Kölner Doms eingeweiht – nach dem Entwurf von Gerhard Richter, des vielleicht bedeutendsten Künstlers der Gegenwart. Und, was soll ich sagen: Das Fenster ist toll geworden.

Zunächst war ein Motiv mit neuzeitlichen Märtyrern geplant, aber letztlich hat sich ein ungegenständlicher Entwurf durchgesetzt, mit 11.250 farbigen kleinen Glasscheibchen, per Zufallsgenerator angeordnet, quasi ein grobgepixeltes Riesenfenster.

Diese Pixel nun fügen sich auch beim Zurücktreten nicht zu einem sinnvollen Motiv zusammen, sondern verweigern sich der inhaltlichen Vereindeutigung – eigentlich für eine katholische Kathedrale ein gewagtes Projekt, denn immerhin funktioniert Heilsgeschichte seit Jahrhunderten nach dem gegenteiligen Muster: dass die Welt zwar unübersichtlich sei und dass der kleine Mensch den göttlichen Plan nicht immer erkennen mag, er aber im festen Vertrauen damit leben soll, dass sich ihm eben dieser Plan einst (beim „Zurücktreten“) in vernünftiger und sinnvoller Weise enthüllen werde.

Nun aber Kontingenz statt Providenz: Das Südquerhausfenster verweigert sich – anders als andere Kirchenfenster - dieser Sinnzuschreibung, ist also eigentlich ein Affront gegen die Eschatologie der katholischen Kirche.
Oder?

Man durfte gespannt sein auf die Predigt von Prälat Josef Sauerborn, seines Zeichens Künstlerseelsorger des Bistums Köln.
Was würde ihm zu dem Fenster einfallen?

Es liegt nahe, die Metapher des 'Lichts' zu bemühen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden: Kinder hätten im Dunkeln Angst und bräuchten etwas Licht, Fiat Lux, „vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang“, „ich bin das Licht der Welt“ etc., Sauerborn hat den Kanon der religiösen und biblischen Lichtmetaphern durchdekliniert – und zwar ausschließlich im Hinblick auf Licht als Einfall des göttlichen Elements. Kein Wunder allerdings, dass es ihm schwer fiel, den Bogen zum Nichtmotivischen, Sinn-Verdunkelnden des Fensters zu schlagen.

Mehr Licht=mehr Gott ist der falsche Ansatz zur Erklärung des neuen Fensters. Wenn das wahr wäre: Je mehr Licht, desto mehr Göttlichkeit – dann hätte man das alte, hellere Fenster behalten oder eine durchsichtige Glasscheibe einsetzen müssen. Das neue Fenster filtert ja das Licht, vor allem aber verhindert es einen unkontrollierten Lichteinfall. Und hier setzt die weitaus spannendere Lichtmetaphorik ein.

In einer gotischen Kathedrale vom Licht als Botschafter des Göttlichen zu sprechen, widerspricht dem Geiste dieser Kirche, die vor allem das Geheimnisvolle, das Numinose, das Dunkle als den Kern des göttlichen Wesens in sich trägt. Licht dient in der Gotik nicht der Auf- sondern der Verklärung.

Was macht denn den Reiz des Religiösen aus, wo findet denn in unserem Leben noch Göttlichkeit statt? Doch in jenen Bereichen, in die die Aufklärung, das Licht eben nicht hingelangt: Dort, wo naturwissenschaftliche Erleuchtung versagt, wo die Neonröhre der Technik nicht hinleuchten kann – in jenen Momenten des Numinosen, Zauberhaften, die sich eben der eindeutigen Erklärung entziehen.

Und hier sind wir wieder beim Querhausfenster: Die unzähligen Pixelfenster produzieren Dunkelheit des Sinnes, indem sie sich der eindeutigen Motivzuschreibung entziehen und sie verhindern unkontrollierten Lichteinfall. Das heißt: Der Funke des Göttlichen, des nichtaufgeklärten Restes, enthüllt sich in zwei Dingen: In der Dunkelheit des Filters, der den unkontrollierten Lichteinfall verhindert und in der Verweigerung des Motivischen, des „Sinnvollen“. Er enthüllt sich nicht im „Hellen“, "Aufgeklärten", Offensichtlichen, Gegenständlichen, sondern im Geheimnis des Glaubens.

Es ist ein durchaus mystischer, gotischer Gedanke, der da mitschwingt: Wenn man die Anordnung der kleinen Scheiben nur bis in die Unendlichkeit oft genug randomisieren würde, ergäben sich Christus, alle Heiligen und Märtyrer, alle denkbaren Motive wie von selbst (natürlich auch, aber das nur nebenbei, alle Teufel und Dämonen, wie viele Mystiker schmerzlich haben erfahren müssen).

Genau in dieser Verweigerung der eindeutigen Sinnzuschreibung, in der Inkommensurabilität, treffen sich doch auch Kunst und Religion. Wie die Religion sich von der Naturwissenschaft, so unterscheidet sich doch auch die Kunst vom Handwerk in eben dieser Verweigerung der Funktionalität, in der Betonung des Spielerischen, des „Unendlichen“.

Insofern ist die Metapher der Kindlichkeit nicht so schlecht gewählt – aber es wäre besser gewesen, sie auf die Implikationen des göttlichen Funkens im Spielerischen, Unendlichen abzuklopfen als auf die Furcht vor der Dunkelheit.

Nun, die Kühnheit des Entwurfs, die Grandiosität dieses Fensters bleibt länger erhalten als der Ärger über eine misslungene Predigt. Dennoch ist es schade drum. Ich hatte gehofft, man wusste, was man tat, als man sich für den Richter-Entwurf entschied. Vielleicht war das auch so – in der Predigt war davon leider wenig zu erkennen.

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